Indische Ärzte haben einen seltenen Fall eines fehlentwickelten Fötus dokumentiert, der im Körper seines Zwillings gewachsen war. Bei dem als "Fetus in Fetu" (FIF) bekannten Syndrom wandern noch in der Schwangerschaft Zellen eines Fötus in einen anderen. Während sich das eine Kind normal entwickelt, können sich die Stammzellen des anderen unkontrolliert vermehren und bilden beispielsweise Gewebe, Gliedmaßen oder auch Zähne - lebensfähig sind diese Strukturen nicht.
In dem aktuellen Fall wuchs der fehlgebildete Zwilling mehr als 17 Jahre lang im Körper einer jungen Frau. Ihr Bauch war über fünf Jahre hinweg merklich geschwollen und schmerzte. Ärzte entdeckten ein Geschwulst, das die umliegenden Organe verdrängte. Auf einem CT-Scan war zu sehen, dass es sowohl aus festem als auch aus hartem Gewebe bestand, das an Knochen erinnerte.
Erster Fall bei einer erwachsenen Frau
Nachdem Chirurgen die gut 30 Zentimeter lange und 16 Zentimeter breite Masse entfernt hatten, stellten sie fest, dass es sich um einen fehlentwickelten Zwilling handeln muss. Sie beschreiben das Geschwulst als "haariges, käseartiges Material", das mehrere Zähne enthielt sowie Knospen, aus denen sich bei Embryonen normalerweise Gliedmaßen entwickeln.
Statistisch gesehen kommt das Phänomen nur bei einer von 500.000 Geburten vor. Bisher sind nur 200 solcher Fälle dokumentiert worden. "Es ist der achte Fall, dass FIF bei einem Erwachsenen festgestellt wird, und das erste Mal bei einer Frau", schreiben die Ärzte im Fachblatt "BMJ Case Reports". Näheres zu der Patientin gaben die Ärzte nicht bekannt, um ihre Persönlichkeitsrechte zu schützen. Sie hatte jedoch der Veröffentlichung ihres seltenen Falls zugestimmt.
Meist befindet sich der eingeschlossene Fötus im Bauch des gesunden Kindes und verursacht dort früh Beschwerden, weshalb die Fehlbildung bereits im Kleinkindalter festgestellt wird. Jungen sind deutlich häufiger betroffen als Mädchen.
Auch in Organen können die Zellen eines Zwillingsfötus eingeschlossen werden, beispielsweise im Magen. Ein US-Arzt berichtete zudem von einem kleinen Jungen, der eigentlich aufgrund eines Hirntumors operiert wurde. Im Zentrum des vermeintlichen Tumors fanden die Ärzte allerdings einen kleinen Fuß und eine deformierte Hand.
Dass Betroffene jahrelang mit dem verkümmerten Zwilling im Körper leben wie die junge Frau aus Indien, ist dagegen sehr selten. Bekannt ist etwa der Fall eines Inders, der 36 Jahre lang einen deformierten Fötus in sich trug.
Zwei Jahre nach dem Eingriff geht es der Patientin gut. Allerdings konnten die Ärzte nicht das gesamte Gewebe entfernen. Sie wird deshalb jährlich untersucht, ob sich die fremden Zellen in ihrem Körper erneut unkontrolliert vermehren.
Quelle : spiegel.de
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